Wie eine Videobrille die Angst vor einer Operation nimmt

13. August 2019

Warten nervt, auf eine OP zu warten ist für viele Menschen der blanke Horror. Am AGAPLESION EVANGELISCHES KRANKENHAUS MITTELHESSEN bietet nun eine neuartige Videobrille Entspannung.

Wo ist die Verbesserung am meisten spürbar?

Jochen Sticher: Während einer Operation in Regionalanästhesie, bei dem der Patient also bei Bewusstsein ist, wird die Situation als nicht mehr annähernd so unangenehm wie ohne Brille empfunden. Normalerweise geben wir dann vorher ein Beruhigungsmittel - mit der Brille sind die Patienten aber meist völlig entspannt, sodass wir die Mittel niedriger dosieren oder sogar ganz darauf verzichten können. Und dies hat wieder den Vorteil, dass wir die Patienten vom Aufwachraum schneller auf die Station verlegen können. Teilweise dauern die Filme länger als die OP und die Patienten sind dann sogar enttäuscht, dass sie den Film nicht zu Ende schauen konnten.

Happymed-Videobrille

Das AGAPLESION EVANGELISCHES KRANKENHAUS MITTELHESSEN ist das einzige Haus im Umkreis von 150 Kilometern, das die Brille bisher einsetzt. Das System besteht aus einer Videobrille mit integrierten Kopfhörern und wurde speziell für die medizinische Anwendung entwickelt. Bewegtbilder mit Ton sollen die Patienten vom Geschehen während der operativen Behandlung ablenken und so Angst und Anspannung reduzieren.

Die Patienten können dabei zwischen Konzerten, Spielfilmen oder Naturdokumentationen in verschiedenen Alterskategorien wählen. Die Brille kann auch auf die eigene Sehstärke eingestellt werden. Laut Herstellerangaben verlassen Patienten, die eine Happymed-Brille getragen haben, 20 Minuten früher den Aufwachraum als ohne. Bei 33 Prozent der Patienten kann nach Herstellerangaben auf die Einnahme von Sedativa verzichtet werden.

Hier wird vor, während oder nach operativen Eingriffen die Videobrille „HappyMed“ zur Beruhigung eingesetzt. Priv.-Doz. Dr. med. Jochen Sticher, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie am AGAPLESION EVANGELISCHES KRANKENHAUS MITTELHESSEN berichtet über die ersten Erfahrungen mit dem Gerät.


Wie sind Sie auf die Videobrille aufmerksam geworden?

Jochen Sticher: Sie war ein Vorschlag unseres Vorstands für ein Innovationsprojekt bei AGAPLESION. Ich war zunächst skeptisch, da OP-Abläufe schon ohne Brille komplex genug sind. Dann hatten wir zwei Brillen zum Testen hier und wir haben direkt sehr viele positive Rückmeldungen erhalten – von Patienten und von Mitarbeitenden.


Wo liegen die Vorteile?

Jochen Sticher: Der Patient wird audiovisuell abgelenkt und damit von seiner Umwelt sozusagen entkoppelt. Dennoch nimmt er wahr, was um ihn herum passiert und ist ansprechbar. Vor einer Operation aufgeregt zu sein und dann auch noch warten zu müssen ist für Patienten sehr unangenehm und nicht immer zu verhindern. Manchmal dauert eine Operation einfach länger und der nächste Patient liegt schon unruhig in der Einleitung – gerade für Kinder ist das schwer nachzuvollziehen. Das erzeugt auch beim medizinischen Personal Stress. Nicht nur zum Wohle der Patienten lohnt es sich meiner Meinung nach eine solche Neuerung in den Ablauf zu integrieren, auch wenn es auf den ersten Blick etwas mehr Arbeit macht.