03. Juli 2020
Ausbildungsvergütung statt Schulgeld
Zum 1. Juli startet die Döpfer Schulen Hamburg gGmbH. An der Kooperation sind das Agaplesion Diakonieklinikum, das Albertinen-Krankenhaus/Albertinen-Haus, das Bethesda Krankenhaus Bergedorf, das Evangelische Amalie Sieveking Krankenhaus und das Marienkrankenhaus beteiligt. Mitgesellschafter Hubert Döpfer ist bisheriger Inhaber der Döpfer Schulen Hamburg, er betreibt bundesweit rund 30 staatlich anerkannte Berufsfachschulen im Sozial- und Gesundheitswesen.
Jörn Wessel, Geschäftsführer des Agaplesion Diakonieklinikums: „Therapieberufe sind für unser Gesundheitswesen wichtiger denn je. Es entwickelt sich ein spürbarer Fachkräftemangel – auch in den Krankenhäusern. Dem wollen wir gezielt entgegenwirken, in dem wir die Ausbildung attraktiver machen. Mit der Schulgründung wollen wir ein Zeichen setzen und auf die Relevanz und Dringlichkeit hinweisen.“
Für rund 330 Schüler findet die theoretische Ausbildung an der Döpfer Schule in Hamburg-Wandsbek statt. Praktisch werden die Auszubildenen in einem der fünf Krankenhäuser und bei anderen Kooperationspartnern im Norddeutschland ausgebildet. Die Übernahmechancen nach Ausbildungsende sind hoch.
Lage in Hamburg
Die Bundesagentur für Arbeit verzeichnet für 2019 im Bereich Physiotherapie einen „regionalen Engpass“ für 15 von 16 Bundesländern. Die einzige Ausnahme: Hamburg. Die ehemalige Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks hat sich für die Schulgeldfreiheit in der Hansestadt stark gemacht und diese am 1. April 2019 für die Ausbildungsgänge Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie als Landesregelung eingeführt. Seitdem gehören die monatlichen Schulgeldkosten in Höhe von knapp 450 Euro der Vergangenheit an. Nur die Ausbildung in der Massage ist weiterhin kostenpflichtig.
Vor dieser Regelung wurde ein Großteil Physiotherapeuten und Ergotherapeuten an kostenpflichtigen privaten Berufsfachschulen ausgebildet (82 Prozent). Im Bereich der Logopädie waren es etwa 40 Prozent. In Hamburg stieg der Druck nicht zuletzt durch die Nachbarländer Schleswig-Holstein und Niedersachsen, die das Schulgeld noch vor Hamburg gestrichen haben. Dadurch ist die Attraktivität einer Therapeutenausbildung in den norddeutschen Nachbarländern gestiegen. „Ohne die seit einem Jahr bestehende Schulgeldfreiheit wären die Ausbildungszahlen in Hamburg in den Keller gesunken. Mit der neuen Ausbildungsvergütung und der bestehenden Schulgeldfreiheit ist die Wettbewerbsfähigkeit der Schule jetzt auf Dauer gesichert“, bestätigt Hubert Döpfer.
Bundesweite Einheitlichkeit gefordert
Deutschlandweit gibt es bislang keine einheitliche Regelung zur Schulgeldfrage. Das ist nach Jörn Wessel eine Zumutung: „Junge Menschen, die sich für eine Ausbildung in den Gesundheitsfachberufen begeistern, müssen wir unterstützen. Von ihnen Schulgeld zu verlangen, ist keine Option – gerade bei einem Fachkräftemangel.“ Die Gesellschafter sprechen sich für die Umsetzung einer bundesweit einheitlichen Schulgeldfreiheit aus.
Großer Bedarf an Therapeuten
Jörn Wessel erläutert: „Bei einer immer älter werdenden Gesellschaft, ist es umso wichtiger, die Therapieberufe nachhaltig zu stärken. Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Logopäden leisten einen wichtigen Beitrag zur gesundheitlichen Versorgung.“ Eine ältere Gesellschaft erhöht den Bedarf an Therapeuten. Auch für Patienten, die eine schwere Krankheit, einen Schlaganfall oder Unfall hinter sich haben, sind sie maßgeblich: Ohne Therapeuten müssten viele Patienten zur Behandlung in eine Pflegeeinrichtung oder in ein Krankenhaus. Laut einer Auswertung von Barmer klagt nicht zuletzt allein in Hamburg jeder Fünfte über Schmerzen im Kreuz. Dass Heilmittel nicht nur etwas für Menschen mit steigendem Lebensalter sind, zeigen Statistiken aus der Logopädie. 2017 haben Kinder im Alter von fünf bis neun Jahren mehr als 18.000 Mal eine Sprachtherapie in der Hansestadt in Anspruch genommen.
Nachhaltige Kooperation
Die Schulgründung stellt einen wichtigen Schritt zur Vernetzung des Hamburger Gesundheitswesen dar. Besonders positiv ist das Engagement von Cornelia Prüfer-Storcks hervorzuheben. Jörn Wessel: „Stellvertretend für alle Gesellschafter bedanke ich mich herzlich bei Cornelia Prüfer-Storcks und ihrer Behörde. Mit ihrer konstruktiven Begleitung haben sie die Gründung der Schule maßgeblich vorangetrieben.“
Dank gelte aber auch den Krankenkassen. Denn die entstehenden Kosten werden zwischen ihnen und der Behörde für Arbeit, Gesundheit Soziales, Familie und Integration aufgeteilt: Während die Sozialbehörde für die Miete des Schulgebäudes aufkommt, tragen die Krankenkassen die Kosten für den Schulbetrieb, das Personal sowie die praktische Ausbildung.